Einleitung:
Der Schießsport ist für mich schon lange kein Hobby mehr. Er ist meine Passion, ein Hingabe die im wahrste Sinne des Wortes "Leiden schafft". Eine Leidenschaft die antreibt, die aus der Niederlage ein neues Fundament schafft. Der Grundstein für den Perfekten Schuss. Aus dieser besagten Passion entstehen manchmal Projekte, die rational nicht zu erklären sind. Wer jetzt schon genug hat von meinem Pathos,... es ist ein ausführlicher, ein langer, vielleicht sogar der längste Bericht im Forum. Aber erstmal von Anfang an.
Die Vorgeschichte:
Nachdem ich in die Welt der Vorderlader eingetaucht und damit zu meinen Wurzeln des Sportes - das einhändige Präzisionsschiessen - zurückgekehrt war --->
Vorderlader Pistole streifte mich auch die Welt des Long Range Schießen in seiner ursprünglichen Form...angetrieben durch Schwarzpulver. Das Schießen mit Schwarzpulver ist nicht nur nostalgisch, es ist eine Art "Heimweh". Man schwimmt förmlich in der "Ursuppe" des Schießens, die einen trägt und auch mit fast krankhaften Ideen und Projekten ansteckt. Die "Inkubationszeit" ist relativ kurz. Die Symptome sind intensiv und drängen ganz klar in Richtung mehr. Mit zunehmenden Alter verspüre ich auch den Drang zum Langsamen. Meine Taktfrequenz ist merklich gesunken und das spiegelt sich auch in meiner Leidenschaft dem Schießsport wider. Und es wird noch langsamer, den das Laden einer Schwarzpulverpatrone, das Schießen und der Rest drum herum schreit förmlich nach "Ohmmmmmmm" - für mich zumindest.
Nach einem Testschießen wurde aus dem Gedanken ein konkretes Projekt.
Das Kaliber:
Angetrieben von meiner Vorstellung und dem Umstand, den geeigneten Büchsenmacher auch als Schützenkollegen an der Hand zu haben, ging es an die Auswahl des Kalibers. Das Kaliber 45-90 bot sich für Long Range förmlich an. Nun wie oft komme ich zum Schießen auf 300+ Meter, also das Kaliber mit Bedacht abwägen. Ein Test auf 100m hat mir die Augen geöffnet. Der Rückstoß war mit mir noch nicht mal fertig, da ist die Bleimurmel schon auf der Scheibe eingeschlagen. Zu stark für den "kleinen Monkey", zerstörerisch, unangenehm. Der Test mit der Patrone 10,3x60R (.450/400 2⅜-inch BPE Black Powder Express) war dann schon das, was ich mir vorgestellt hatte. In vielen Gesprächen mit meinem Büchsenmacher - unter Berücksichtigung, dass ich die meiste Zeit zwischen 100-300 Meter schießen werde - fiel das Kaliber 40-65. Eine noch immer beliebte Mid-Range Patrone vor allem in der USA. Der Nachteil auf 500-800m war offenkundig aber nicht unmöglich. Ein präzises Kaliber und der Spagat den ich gesucht hatte. Die Patrone 45-70 war eigentlich nie eine Option, da ich auf der Suche nach etwas Ausgefallenem war. Auch wenn die 45-70 eine Fülle an verschiedenen Geschossen liefert, das Individuelle war der Reiz und Vater des Gedankens, zumal ich die Geschosse ja auch selbst produzieren werde und hier im Punkto Kokille auch dieser Gedanke Platz greifen sollte. Nach einem neuerlichen Testschießen war die Entscheidung gefallen und ich hatte mir das Thema endgültig "eingetreten". Ein außergewöhnliches Gewehr im - für unser Breiten - außergewöhnlichen Kaliber 40-65 Winchester.
Das System:
Text orig. WikipediaDer „Rolling Block“-Verschluss oder auch Drehblockverschluß ist ein Verschluss-System für Waffen, das 1863 von der Firma Remington zum Patent angemeldet wurde. Es wurde von Leonard M. Geiger entwickelt und 1867 auf der Pariser Weltausstellung mit einer Silbermedaille ausgezeichnet.
Die Funktionsweise des Drehblockverschlusses ist relativ einfach. Ein achsgelagerter Block wird, bei gespanntem Hahn, nach hinten abgekippt und so das Patronenlager freigegeben. Nachdem die Waffe geladen wurde, kippt man den Block wieder hoch, um das Patronenlager zu schließen. Sobald man den Abzug betätigt, wird der Block durch den vorschnellenden Hahn verriegelt und die Patrone kann gefahrlos zünden. Nachdem die Patrone abgefeuert ist, spannt man erneut den Hahn, öffnet den entriegelten Block und kann die Hülse entnehmen, um die Waffe wieder zu laden.
Bei meiner Rolling Block handelt es sich nicht um ein Replik/Nachbau ala Pedersoli & Co, sondern um einen Neubau auf Basis eines original Remington M1867 Systems.
Das System wurde 1872 in der "Carl Gustafs stads Gevärsfaktori" hergestellt. Die Krone mit dem C und die Jahreszahl ist ein "Hingucker". Auch die "Inspector marks" auf der anderen Seite zieren das gute alte Stück. Der große Ladelöffel macht sich nicht nur schön, sondern vereinfacht auch das "Hingreifen" zum Landen. Bei dieser Produktionsreihe wurden an der linken Seite des Systems, Sicherungsschrauben angebracht. Ein weiteres Detail das mir an dieser Systemvariante sehr gefiel. Einige Jahre später stellte man dann auch in der "Carl Gustafs stads Gevärsfaktori" die Produktion um und ersetzte die Sicherungsschrauben gegen die bekannte Platte die eigentlich jede Rolling Block ziert.
Der Lauf:
Um diesen historischen Rolling-Block-System Leben einzuhauchen, brauchte es auch einen Lauf. Nicht irgendeinen Lauf. Er sollte dem Projekt gerecht werden und es war klar, dass Historie und höchste Präzision sich hier nahtlos anschließen sollten. Einen solchen wertvollen Lauf darf ich ja schon mein Eigen nennen. (siehe Link ganz oben Vorderlader Pistole). Ganz klar, dass nur Ueli Eichelberger (Schweiz) hier Hand anlegen sollte. Büchsenmacher Andreas Baumkircher und Ueli Eichelberger, "kongeniale" Profis auf diesem Gebiet. Die Weltmeister wissen um diese Qualität und die Rekorde geben ihnen recht. Der Lauf wurde nach alter Methode spanabhebend gezogen. Das spanabhebende Laufziehen ist die zeitaufwändigste, individuellste, präziseste, schonendste und auch die teuerste Technik die Züge in den Lauf zu bringen.
Extras:
Bei der Laufkontur habe ich mich für 1/3 Kant und 2/3 Rund entschieden. Der Schaft, aus Wurzelmaserholz mit Schaftbacke. Eine Fischhaut, Handarbeit am Vorder- und Hinterschaft. Ein passend angefertigter, kugelgelagerter Putzstock. Der Diopter aus der Fertigung meines Büchsenmachers plus ein Hardley Eye, also eine verstellbare Augenmuschel mit 8 Öffnungen. Eine grüne Libelle ist im Korntunnel verbaut. Und damit sich das Ganze noch individueller gestaltet, sollte der Abzug, der Verschlussblock mit Löffel und der Hahn titan-nitriert werden.
Wer nun meint, dass es mit der Bestellung dann auch finanziell ein Ende hatte, der irrt sich gewaltig. Bei keiner meiner Neuanschaffungen, war die Zubehörbeschaffung so umfangreich und ebenso kostspielig. Ich möchte erwähnen, dass beim Zubehör auch auf gebrauchte Teile zurückgegriffen wurde und auch auf die Marke Eigenbau - also wer bastelt mit - gesetzt wurde. Und trotzdem, das summiert sich.
Zubehör:
Tja wo am besten anfangen, ...
Geschosse, damit ich vor dem "selber gießen" schon mal was zu tun habe. Natürlich sind die ungefettet, also kommen auch hier noch Materialien und und und dazu. Für die künftige Herstellung der Geschosse wurde eine Maß-Kokille von Hensel geordert und ein genialer Kokillengriff aus der USA. Das Blei in der richtigen Legierung kaufte ich laufend zu. Selber legieren kommt vielleicht später.
Für das gießen der Geschoße, habe ich mich für einen Lyman Big-Dipper nebst Schöpfkelle entschieden. Warum kein Gießofen mit Auslassventil? Der jährliche Geschossverbrauch wird überschaubar sein und ich wollte diesen Vorgang so "ursprünglich" wie möglich halten. Wenn es mich juckt, dann kann ich immer noch auf ein anderes Gerät umsteigen. Um als Anfänger ein Gefühl für die Temperatur zu bekommen, kaufte ich auch noch ein elektronisches Thermometer. Es wird mit der Erfahrung wohl überflüssig werden, für das anfängliche Controlling reicht dies jedoch aus.
Die Geschosse müssen ja auch noch kalibriert werden, also ein entsprechender Kalibriereinsatz und ein passender Setzstempel. Fehlte nur noch die Fettpresse und die viel mir im gebrauchten aber guten Zustand in den Hände. Nach der Reinigung vom alten Fett und Co, war sie dann auch fertig für die neue Bestimmung.
Matrizensatz und Hülsen, sind wesentliche Bestandteile um das Gerät zu Laufen zu bringen. Die Auswahl des Matrizensatz gestaltete sich doch etwas schwieriger. Dazu muss man verstehen, dass die .40-65 Winchester keine SAAMI-Standardpatrone ist. SAAMI (Sporting Arms and Munition Manufacturing Institute). Also gibt es hier verschiedenste Abmessungen, vor allem beim Aufweiter. Da reicht die Bandbreite von .406 bis .409. Da ich jedoch einen Diameter von .410 benötige, wurde von meinem Büchsenmacher ein entsprechender Aufweiter angefertigt. Zum Verständnis,... das Geschoß wird nicht gecrimpt - wie es für einen Unterhebelrepetierer notwendig wäre - sondern die Hülse wird auf das Geschoßmaß aufgeweitet, somit lässt sich die "Murmel" fast mit der Hand setzen. Warum? Ich meine es verstanden zu haben bitte aber um Verständnis, dass diese "Welt" des Schwarzpulver Schießen für mich komplett neu ist und ich noch immer Leute mit Fragen bombardiere und in entsprechender Lektüre stöbere. Also möchte ich hier nicht unbedingt mit Halbwissen glänzen.
Fortsetzung folgt …