Korrosive Munition ist ein Überbleibsel vergangener Tage. Im ersten und zweiten Weltkrieg gab es fast ausschließlich Munition die man heute als korrosiv bezeichnen würde.
Heute sind es vor allem Restbestände aus Staaten des Warschauer Paktes, welche noch in private Hände gelangen. Zwar nutzte auch die NATO teilweise korrosive Munition, dies wurde aber frühzeitig beendet und die Produktion auf nicht-korrosive Munition umgestellt.
Westliche Surplus Munition und Ostblock Surplus Munition unterscheidet sich allermeist an der Zünderform. Westliche oder NATO Munition verwendet heutzutage üblicherweise einen Boxer Zünder. Munition aus den ehemligen Warschauer Pakt Staaten wurde mit Berdanzündern produziert.
Bei vorhandensein von Berdanzündern bei Ostblock Munition wird oft automatisch von Rostproblemen und erhöhtem Putzaufwand ausgegangen. Berdanzüder in Surplus Munition wurden meist mit Knallquecksilber versehen als Initialsprengstoff. Boxerzünder sind üblicherweise mit Sinoxid bestückt. Es gibt und gab auf beiden Seiten Ausnahmen.
Berdanzünder
Bei Patronen mit Berdanzünder gibt es in der Patronenhülse zwei Zündlöcher. Der Amboss ist Bestandteil der Patronenhülse.
Das hat den Vorteil von 2 Zündlöchern und soll eine bessere Zündung der Treibladung gewährleisten, die Zündkapsel ist einfach zu produzieren.
CC BY-SA 4.0 https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Berdanzündung.jpg
Boxerzünder
Bei Patronen mit Boxerzündung gibt es nur ein zentrales Zündloch welches eine einfachere Produktion der Patronenhülse ermöglicht. Der Amboss wird in die Zündkapsel integriert, wodurch eine komplexere Fertigung notwendig wird. Das ausstoßen der verwendeten Zündkapsel ist bei Boxerzünder Hülsen einfacher und erleichtert ein Wiederladen.
CC BY-SA 4.0 https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Boxerzündung.jpg
Randfeuerzündung
Der Vollständigkeithalber sei auch die Randfeuerzündung erwähnt. Diese ist heutzutage hauptsächlich noch bei .22lfb Patronen anzutreffen. Es wird keine Zündkapsel verwendet. Die Zündmasse ist im Rand enthalten. Die Zündung erfolgt durch den Schlagbolzen und Deformation der Hülse. Ein Wiederladen ist nicht möglich, da einerseits eine erneute einbringung von Zündmasse schwierig ist, andererseits da der Hülsenboden selbst deformiert wurde. Die Produktion in der Fabrik ist von Randfeuermunition aufgrund der vereinfachten Komplexität und Verringerter Stückliste an Einzelteilen zumeist billiger. Randfeuerzündung wurde aber durch Zentralfeuerzündung zunehmend verdrängt, da Zentralfeuerzündung zuverlässiger funktioniert.
CC BY-SA 4.0 https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Randfeuerzündung.jpg
Im Zündhütchen von Zentralfeuerpatronen (Boxer und Berdan) befindet sich der Initialsprengstoff. Die eigentliche Zündmasse welche mit dem Schlagbolzen gezündet wird.
Die Treibladung ist üblicherweise nicht der Grund für Rostprobleme bei Waffen. Sondern die Zündmasse in der Zündkapsel kann kritisch sein bezüglich Rostproblemen.
Seit etwa 1930 verwendet man als Initialsprengstoff in Anzündhütchen ein Gemisch aus Tetrazen und Bleitrinitroresorcinat („Sinoxid-Sätze“). Vor der Entwicklung von Sinoxid-Zündern, wurde Knallquecksilber als Initialzünder verwendet.
Früher enthielten Zündhütchen Knallquecksilber, was nicht nur giftig ist, sondern es werden nach der Zündung sofort sehr rostfördernde Salze in der Waffe verteilt. Diese Salze sorgen schon nach wenigen Minuten, in Verbindung mit Sauerstoff, für Rost. Bei neuer Munition mit Sinoxid-Zündern tritt dieses Problem nicht auf.
Bei der Munitionsproduktion in den Warschauer Pakt Staaten und deren Verbündeten wurde noch bis in die 90er Jahre Knallquecksilber als Zünder verwendet. Da dies im Militärbereich erprobt und robust galt wurde nicht so schnell auf die neue Technologie mit den Sinoxid-Sätzen umgeschwenkt. Die Rostprobleme wurden im Militärbereich in Kauf genommen.
Wie kann man seine Munition testen?
Ich habe dazu eine kleine Testreihe aufgesetzt. Folgende Patronen wurden manuell delaboriert: PPU, S&B und STV(Surplus)
Links: PPU FMJ 7,62x39 - aktuelle Produktion von Privi Partizani aus Serbien
Mitte: STV Scorpio 7,62x39 - Erwartung auf Knallquecksilber Zünder - verkupferte Stahlhülle - Produktion aus Volksrepublik China - in Tschechien von STV geprüft und neu verpackt. Stempelung am Boden der Hülse "74 944". Eventuell aus dem Jahr 1974 und die Charge 944 oder das Produktionswerk 944.
Rechts: S&B 7,62x39 FMJ - aktuelle Produktion von Sellier und Bellot aus Tschechien
Delaborierung
Zum entfernen der Patronen habe ich einen Delaborierhammer verwendet. Das Geschoss und die Treibladung werden dabei sicher entfernt. Auf die Zündkapsel wird keine Kraft angewendet.
Delaborierhammer Delaborierhammer Delaborierhammer
Links: PPU, Mitte: STV Scorpio, Rechts: S&B
Links: PPU hat einen schmalen und tieferen Crimpring.
Mitte: STV Scorpio, die Surplus Munition aus China mit einer Crimpfuge, rotem Lack entlang der Crimpfuge und anscheinend auch schwarze Klebereste?
Rechts: S&B hat einen breiteren Crimp
Die entleerten Patronen wurde dann in meinen Knallstock geladen und das Zündhütchen abgeschlagen.
Testreihe
Sofort nach dem abschlagen des noch vorhandenen Zünders wurden die noch qualmenden Patrone auf eine Eisenplatte kopfüber aufgestellt.
Die Hölzchen wurden drumrumgeschlichtet damit keine der Hülsen umfällt.
Nach zwei Wochen wurden die Hölzchen entfernt und die Ergebnisse geprüft.
frischer Rost bei STV Scorpio Patrone deutlich ersichtlich.
Bei der STV Scorpio Hülse lässt sich Rost schon von außen deutlich erkennen. Ein frischer Rostfleck außerhalb der linken Patronenhülse.
Hülsen versetzt, nach 2 Wochen.
Links: STV Scorpio, unter der Hülse und teilweise sogar daneben ist frischer Rostansatz eindeutig zu erkennen.
Mitte: PPU, kein Rost oder Ablagerungen erkennbar.
Rechts: S&B, eindeutig weiße Schmauchspuren als Ablagerungen erkennbar.
Ergebnisse im Detail:
STV Scorpio
Eindeutige Rost Bildung, teilweise schon nach dem Ersten Tag.
PPU
Keine Sichtbaren Rostbildungen unter den Hülsen.
Sellier & Bellot
Keine sichtbaren Rostbildungen unter den Hülsen, jedoch eindeutig weiße Schmauchablagerungen vorhanden.
Fazit:
STV Scorpio - Surplus 7,62x39 Munition mit verkupferten Stahlhülsen ist eindeutig als korrosive Munition zu beurteilen.
Nach dem Besuch des Schießstand's sollte die verwendete Waffe noch am selben Tag ausgiebig geputzt werden.
Da die Knallquecksilber Salze Wasserlöslich sind, empfiehlt es sich alle Teile der Waffe zu spülen und zu trocknen, bevor mit dem eigentlichen herkömmlichen Putzvorgang begonnen wird.
Antworten 8
PAL
Mein Händler meinte, das ist Surplus Munition aus Tschechien, Fertigung 2019, CIP geprüft, also keine korrosive Munition.
Axtwerfer
Wir hatten in den 90er Jahren beim Ordonnanzwaffen - Schießen noch sehr verbreitet Zugriff auf alte Militärmunition, besonders im Kaliber 7,92 x 57 mm.
Die hauptsächlich von uns verwendeten Munitionssorten FNT (Fabrica Nacional de Toledo, Spanien ) und FNM (Fabrica Nacional de Municoes de ligeira, Portugal) waren mit ihrer hauptsächlich in den 50er Jahren gefertigten Munition sehr beliebt und flogen für ihren damaligen Preis sehr gut aus unseren K98k, Verschmutzung war im normalen Rahmen und es ist so gesehen schade, dass diese Altbestände mittlerweile aufgebraucht sind.
Einige "Sparfüchse" meinten dann, mit noch günstigerer Munition chinesischen Ursprungs ein besseres Preis- Leistungsverhältnis rauszuholen, doch der Schuss ging nach hinten los:
Bereits beim Schuss zeigte sich ein infernalisches Mündungsfeuer mit einer rötlichen Flamme, und der Lauf war später beim Reinigen rostrot.
Wir nahmen die Munition genauer unter die Lupe, und stellten fest, dass diese Munition Ende der 40er bis Anfang der 50er Jahre in China gefertigt wurde, und das in einer Qualität, gegenüber der eine 1945 zwischen zwei Bombenangriffen in Deutschland gefertigte Patrone wie eine Matchpatrone rüber kam.
Die Außenseite der Hülse reagierte dermaßen auf den Sauerstoff als ob sich die Treibladung direkt durch den Stahl fressen wollte.
Wir haben die Munition jetzt bei Waffenausstellungen und -Ausbildungen als abschreckendes Beispiel dabei...
Gruß vom Axtwerfer
Axtwerfer
Mach bitte mal ein Foto vom Bodenstempel, hab da irgendwo ein Buch liegen zum Nachschlagen. Von Deiner Beschreibung der Bodenstempel fühle ich mich am die der chinesischen 7,92x57mm erinnert...
PAL
Screenshot_20221120-132245_Fennec.png
Steht im Artikel, lies mal
Screenshot_20221120-132220_Fennec.png
Wenn du dein Buch findest: 74 944 ist gestempelt.
Gibt wohl auch 7,62x39 mit grünen Stahlhülsen und STV Scorpio rebranding und CIP'ing. Hab ich aber nicht auf Bestand gehabt.
Hab mich inhaltlich von hier inspirieren lassen: german-armory.de
Axtwerfer
Hätte mich auch gewundert wenn das tschechische Munition wäre
Der Aufbau des Bodenstempels mit Zahlen auf 12 und 6 Uhr ist charakteristisch für chinesische Munition, diese Bodenstempel - Aufteilung wurde aber auch in Ländern des Warschauer Pakts genutzt, wie z. B. Sowjetunion, Bulgarien, DDR usw..
Für tschechische bzw. tschechoslowakische Munition wäre dieser Stempelaufbau untypisch, darüber hinaus haben tschechische Waffen und Munition einen derart guten Ruf, dass eine derart schlechte Qualität für eine Fertigung 2019 kaum vorstellbar wäre.
Habe genau diesen Bodenstempel nicht gefunden, es dürfte aber nach kommunistischem Kennzeichnungssystem in der Fabrik Nr. 944 im Jahr 1974 gefertigt worden sein.
Für alle, die sich für die Identifizierung von Patronen anhand der Bodenstempel interessieren, empfehle ich das Buch "Identifizierung von Patronen-Munition" von Jakob H. Brandt und Horst E. Hamann, ISBN 3-925969-01-2.
Das Buch ist zwar auf Stand von 1987, für die meisten militärischen Patronentypen reicht es aber mehr als aus. Kann ich absolut empfehlen.
Gruß vom Axtwerfer
McMonkey
Sehr anschaulicher und wertvoller Artikel/Test/Beitrag. Top!
PAL
10.000 Schuss durch eine SDM AKM ohne putzen.
mit der STV Scorpio Munition
Schon einige flächige "Rostnärbchen".
McMonkey
Da tut sich ganz schön was mit der Munition. Puhhhh